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Märchen für Erwachsene

BDSM lebt von Phantasien, von Wünschen und “ich würde ja gerne mal” und “ich wüsste gerne, wie das wäre, wenn”. So vieles lässt sich umsetzen, oft mangelt es eher am Mut als an der Möglichkeit. Aber es gibt auch unrealistische Szenarien. Träume. Phantasien. In Buchform sind es für mich: Märchen.

Die O ist für mich eines dieser Märchen. Ich habe das Buch gelesen, habe die Verfilmungen gesehen und finde die Phantasie extrem ansprechend. In diesen festen Ritualen, dieser starren Gehorsamsstruktur steckt soviel Freiheit, wer würde sich nicht danach sehnen? Er entscheidet für mich, er agiert, er befiehlt. Ich reagiere, richte mich nach seinen Befehlen. Perfekt! Wenn ich an die großen Entscheidungen denke, die ich in den letzten Jahren getroffen habe. Die Kraft, die mich das gekostet hat. Wo ist der Vertrag? Ich unterschreibe. Als ich vor 10 Jahren mit dem praktischen BDSM begonnen habe, hätte ich das vermutlich getan, schon aus Lust an dieser Situation.

Aber 10 Jahre später weiß ich sehr genau, dass ich keine O bin. Für eine kurze Zeit ja, aber für immer? Ich bin ein diskussionsfreudiger Mensch, ich wehre mich gerne, ich habe es bisher aus jeder Handfessel geschafft, wenn auch mit Schürfwunden. Und dennoch kickt mich der Gedanke als O vor einem Herrn zu knien unglaublich. Ihm zu dienen. Alles für ihn zu sein. Aber irgendwann käme eine Grenze, die ich nicht überschreiten sollte. Und ich würde sie überschreiten. Wäre frech. Würde ihn reizen. Würde dieses selbst geschaffene Bild zerstören.

BDSM lebt von Phantasien. Rollen, die man gerne spielen würde, nein, die man gerne ausfüllen würde. (Spielen ist da einfach zu wenig.) Mit der Zeit und den Jahren kristallisierte sich bei mir aber heraus, was geht und was eben nicht. Die Realität lässt sich zeitweise verleugnen. Dessen muss man sich bewusst werden. Hinter der Maske ist man noch immer man selbst. Diese Märchen lassen sich (mit großer Wahrscheinlichkeit) so, wie sie geschrieben stehen, nicht erfüllen. Die Aufgabe ist, sich seine eigene Version zu entwerfen und zu gestalten.

Stell dir vor, du gehst arbeiten, einkaufen, kümmerst dich um dein Leben, triffst deine Entscheidungen als freier, wissender Mensch. Und bevor ER dich besucht rasierst du dich, setzt dich in High Heels und halterlosen Strümpfen, die Gerte neben dir, neben die Tür und wartest auf ihn. Schloss, Ausbildung, Brandzeichen… ja. Nein. Wohl eher nicht. Aber Lust, Liebe, Schmerz, Gehorsam, sogar Zirkel von willigen Männern lassen sich realisieren. Sei neugierig. Lerne. Probiere. Scheitere. Versuche neues. Sapere Aude.

Dennoch mag ich diese Märchen. Sie gewähren Einblicke in andere Köpfe, liefern Ideen, Input für das Kopfkino. In diesem geht man die Filme dann durch und klopft die Szenen ab. Wäre das was für mich? Würde ich mich da wohlfühlen? Und warum hab ich mir vorher kein Handtuch auf den Stuhl gelegt?

Das Märchen unserer Zeit ist sicher Shades of Grey. Ich war skeptisch, wie wohl alle in unseren Kreisen. Und ich bin auch nicht der Meinung, dass es das BDSM-Thema sonderlich gut repräsentiert. (Und danke dafür, dass Mr. Grey natürlich nicht einfach auf BDSM steht, sondern traumatisiert ist und damit seine Erlebnisse kompensiert. Danke. Das lässt uns wirklich super aussehen!) Aber: Als Märchen finde ich es einfach toll, es ist eine Phantasie, in der ich gut versinken konnte. Und als eben dieses wurde es ja auch geschrieben. Und sobald ich das akzeptiere, sobald ich verstehe, dass ich niemals die Figur in diesem Buch sein kann, kann ich Ich sein und mich selbst erkunden. Vielleicht mit ihren Werkzeugen und zu ihrer Musik spielen, aber das sind nur Anknüpfungspunkte. Und ab da beginnt dann der eigene Weg.

 

 

 

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