In der Sklavenzentrale kann man im Profil angeben, in welchem Alter man von seiner Vorliebe für den BDSM-Bereich wusste. Das jüngste Alter, dass man dabei angeben kann, ist mit 6 Jahren. Das brachte mich auf die Idee, mal nachzuvollziehen, wann und durch welche Einflüsse ich mich mit BDSM beschäftigt habe.
Ich kann das an einzelnen Filmen und einem Zeitungsartikel festmachen, was mir erlaubt, das zeitlich wirklich einzuordnen. Verzeiht, wenn ich dabei mindestens zweimal in die etwas schundigere Filmkiste greife. Als Kind ist man nicht so anspruchsvoll.
Wir befinden uns ein Stückchen in der Vergangenheit, Mitte der 90er. Klein Tara, Jahrgang 1987, guckt alles mögliche, wenn die Eltern nicht zuhause sind, und liest alles, was sie in die Finger kriegt.
Warum ich heute wieder auf diese Idee kam, lag an dem spontanen Gedanken an Rosemarie Nitribitt. “Das Mädchen Rosemarie”, nicht der Film von 1958, sondern die Bernd Eichinger Qualitätsproduktion aus dem Jahre 1997. Der mit der nackten Nina Hoss. Es geht um Missbrauch und Prostitution, um die Macht, die einem Sexualität verleiht, und die gleichzeitige Ohnmacht, ist es doch ein schmutziges, gesellschaftlich schwieriges Thema. Ganz ehrlich, den würde ich mir heute noch ansehen. Ganz im Gegensatz zum nächsten Kandidaten:
Natalie – Endstation Babystrich. Der war richtig schlecht. Aber Sex war damals nun mal ein Thema für mich. Ich hatte in der dritten Klasse mit der Bravo angefangen, wie das so rein körperlich funktioniert wusste ich bereits mit 5 Jahren, und dann lief da ein Film über einen schlechten Mann, der ein junges Mädchen ausnutzt und es in die Prostitution drängt. Mein Problem war vermutlich eher, dass in meinem Alter kein anderer etwas mit meinen Gedanken anfangen konnte. Aber das war ok, ich war ein Bücherwurm, da hatte ich genug Freunde, Ideen, Input. Ich habe alles gelesen, was ich gefunden habe.
Auch den Spiegel, Ausgabe 05, Jahrgang 1996. Ein Interview mit Wolfgang Joop. Was sich nicht eingebrannt hat: der Artikel. Was sich eingebrannt hat: das Bild der Wand mit den Glory Holes und der Bildunterschrift “Homosexuelle bei anonymem Sex”. Diesen Satz vergesse ich vermutlich niemals. Bei beiden Pornokino-Besuchen war es das Bild vor meinen Augen. Eine Spur hat der Artikel doch hinterlassen: Ich habe damals, mit acht Jahren, festgestellt, dass Heterosexualität total schwachsinnig ist und habe meiner Mutter erklärt, dass ich bisexuell bin. Weil: stell dir vor, der eine Mensch, der eine, wahre Mensch für dich, hat dummerweise auch dein Geschlecht. Wie dämlich wäre es da, einen auf hetero zu machen?
Spätere Literatur war natürlich nahrhafter. Anais Nin. Henry Miller. Se Sade. Pauline Réage. Das kam dann alles so ab dem vierzehnten Lebensjahr.
Und dann war da noch dieser eine Film.
Freitag, 23 Uhr, Klein-Tara, irgendwo um die zehn Jahre alt, ist das erste Mal so lang alleine abends zuhause. Meine Eltern wollten um 22 Uhr zurück sein, aber nein, es wurde später. Und so lief der Fernseher nach (ich glaube) Indiana Jones noch weiter. Ich hatte Angst, das weiß ich noch. Ich hatte furchtbare Angst, dass meine Eltern einen Unfall hatten und irgendwo liegen, dass sie nicht zurückkommen, und der Gang ins Bett, so voller Angst und Einsamkeit, war einfach nicht möglich. Also Decke, Sofa, weinen, irgendwas gucken. Und dann kam Tokyo Dekadenz. Bis heute einer meiner Favoriten. Ich habe Jahre gebraucht, um diesen Film wieder zu finden, mein erster Freund hat mir schließlich eine gebrannte CD in die Hand gedrückt mit den Worten “Du suchst doch diesen Film, guck hier mal rein”. Und tatsächlich. Interessanterweise hatte er ihn über das für den Europäer wohl unwichtigste Detail in diesem Film gefunden. Ich wusste noch, dass die Protagonistin einen Ring mit teurem Stein kauft und bei einem Kunden vergisst. Und dieses Details war es, dass meinen damaligen Freund zu dem Film “Topazu” führte, “Topaz”, wie er im Original heißt. Hier geht es ganz klar um BDSM, es geht um Demütigung, FemDom, MaleDom, NS, Würgespiele und so weiter. Das ganze gewürzt mit Drogen, Alkohol und Vibratoren, und einer eigentlichen Hauptgeschichte, die für den nicht-asiatischen Zuschauer in diesem ganzen perversen Zeug verschwindet. Denn eigentlich geht es um die Einsamkeit inmitten dieser Szenerie.
Das war jetzt eine krude Mixtur aus Einflüssen. Insgesamt ist es irgendwie diese Mischung, die ich im Kopf habe, wenn man mich nach dem Anfang fragt, nach den Wurzeln des Kopfkinos. Das waren die ersten Filme, aus denen sich weiteres entwickelt hat. Dabei möchte ich mich jetzt nicht mit der Tatsache beschäftigen, dass ich in dem Alter vermutlich nichts von all dem hätte sehen sollen. Es ist passiert und hier bin ich heute, so wie ich bin.
“Weil: stell dir vor, der eine Mensch, der eine, wahre Mensch für dich, hat dummerweise auch dein Geschlecht.”
Das ist mehr als genial !
Tokyo Decadence lief mehrmals in einer leicht geschnittenen Version auf SAT1 uns hat mich damals in den 90 während meiner Adoleszenz ungemein beeindruckt. Scheint also nicht nur mir so gegangen zu sein.