Und der Wind legte sich, und ward eine große Stille.*

Am Montag war ich mit einer sehr guten Freundin bei einem Treffen des Shibari-Club Düsseldorf. Diese Treffen sind Übungstreffen, kein Fetischevent, keine Party. Sie bieten Raum zum Lernen, Üben, zum darüber reden. Dabei respektiert man den Bereich anderer, lässt sie fesseln, sieht zu. Die Stimmung ist locker und sehr angenehm 🙂

Ich möchte euch hier einen kleinen Einblick in diesen Abend gewähren, befürchte aber, nicht allzu viel berichten zu können. Warum dem so ist, werdet ihr verstehen.

Wir waren schrecklich nervös, aufgedreht, hibbelig, wurden dort aber sehr freundlich und ruhig aufgenommen. Wir zogen uns auf eine Couch in der Ecke des großen Raums zurück, blätterten uns durch Bücher mit Anleitungen und beobachteten das Gewusel der Aufbauenden. Hängepunkte wurden vorbereitet, Matten verteilt, ruhige, passende Hintergrundmusik eingeschaltet. Nachdem es neben uns noch weitere Neulinge gab, teilten wir uns in Gruppen auf und erarbeiteten den Abend über erste Basics. Meine Freundin und ich stellten uns dabei als Bunnys zur Verfügung. An uns versuchten sich andere Neulinge, daher konnten wir uns da gemeinsam einfühlen. Es begann mit der Fesselung der Hände, ging dann aber weiter über den Oberkörper und am Ende wurden auch die Beine berücksichtigt.

Ich hatte bisher wenig Erfahrung mit Shibari bzw Bondage. In der ersten Zeit mit meinem Mann haben wir uns daran versucht, führten das aber nie weiter. Andere Partner hatten kein Interesse oder es ergab sich nicht. Aber die Tatsache, dass mich schon die Beobachterposition extrem anspricht und seelisch einfängt, so drücke ich es mal aus, sagte mir, dass ich das als Bunny mal versuchen sollte. Nachdem ich durch den BDSM-Stammtisch erste Kontakte geknüpft hatte, wollte ich diesen Plan weiter verfolgen. Und wie sich zeigte, bin ich ein sehr glückliches Bunny.

Mein erstes Ziel dabei ist ganz klar, ich möchte den Kopf runterfahren, mich fangen, umschlossen und ruhig den Moment genießen. Das zweite Ziel wäre die Erweiterung in erotischem Kontext, das Ausnutzen meiner Hilflosigkeit. Das spielt für mich aber noch keine Rolle. Dabei stellte ich fest, dass es einen gewissen Zug auf den Seilen braucht, den Druck auf den Körper, um sich dieser Position wirklich bewusst zu werden. Gelesen hatte ich das schon, nur eben nicht erlebt. Zu Beginn war ich noch immer nervös und unruhig, aber dann kam der Moment, in dem meine Fesselpartnerin nach Anleitung die Seile fester zog. An diesem Punkt wurde es sehr leise, es war, als hätte sie einen Schalter umgelegt. Ich schloss die Augen, wollte gar nicht mehr verfolgen, was sie da genau tat, wollte fühlen. Ich wollte sie spüren, wie sie die Seile zieht, fester, enger, wie sie mir näher kommt und Raum nimmt. Ich wollte mich spüren, wie ich mich in dieser Situation wahrnehme, die Ruhe, das Vertrauen, wollte wissen, ob da Zweifel oder Ängste sind. Gefunden habe ich eine sehr angenehme Stille.

Dabei konnte ich die zunehmende Sicherheit meines Gegenübers klar wahrnehmen. Ihre Griffe wurden immer sicherer und fester, sie wurde mutiger und ich hatte daran sehr großen Spaß. Das war ein Stück gemeinsamer Weg, den wir da gegangen sind und gerade bei so einer körperlich nahen Geschichte wie dem Shibari ist das für mich etwas, was ich nie vergessen werde. Es ist, wie an dem Abend erwähnt wurde, ein bewusstes Übertreten der Grenzen des Bunnys, Shibari spielt nicht an der Grenze, sondern dringt klar in den persönlichen Raum dahinter ein. Und ich konnte meiner Partnerin dabei vollkommen vertrauen und mich fallenlassen. Für diese Erfahrung bin ich sehr, sehr dankbar.

Bei diesem ersten Kontakt mit dem Thema lag mein Fokus klar bei mir, daher habe ich mein Umfeld nicht so intensiv beobachtet, dass ich euch sehr viel berichten kann. Die Eindrücke, die ich allerdings mitgenommen habe, waren sehr interessant und spannend. Es gab sehr entspannte Fesselungen, sehr ruhig und sanft, und genau das Gegenteil, Festhalten, auf den Boden drücken, die Macht an sich reißen und behalten. In jedem Fall war Lust und Vergnügen bei der Sache klar zu spüren und zu sehen. Auch bei dem mit intensivsten Moment, als wir am Ende des Treffens beobachteten, wie ein Rigger seine Partnerin in die Höhe zog und fliegen ließ. Er wirkte sehr sicher, war aufmerksam, kontrollierte ihre Reaktion, fächelte ihr Luft zu, als sie da hing, sodass sie die Möglichkeit hatte, sich vollkommen in diesem Moment zu verlieren und ihn zu genießen. Ein wunderschöner, friedlicher, harmonischer Anblick, den ich hoffentlich häufiger genießen kann =)


*Markus 4,39

3 Gedanken zu „Und der Wind legte sich, und ward eine große Stille.*“

  1. Ein sehr guter, weil wieder sehr persönlicher Artikel, liebe Tara. Ich konnte mich gut in Dich hineinversetzen und verstehe die Faszination, die Shibari auf Dich ausübt. Ich bin gespannt, ob Du das weiter verfolgst.

  2. Danke für Deine Gedanken an diesen schönen Tag und für Deine Zeit, die Du Dir genommen hast, sie in Worte zu fassen.
    Ich sehe Shibari als eine Kunst, die mit vielen anderen Künsten zusammenhängt, so auch das Schreiben.

    Bis demnächst.
    Liebe Grüße
    Jan

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