Make me – Liebe, CNC und persönliches Wachstum

Mich selbst schön zu finden ist vermutlich eine lebenslange Aufgabe, aber ich kann euch sagen, sich dagegen zu wehren fällt einem so viel schwerer mit den richtigen Partnern. Zweifel mal an Dir, wenn Dich Deine Liebsten in einem Club voller schöner Menschen fesseln, quälen und fingern, sich danach genüsslich die Finger ablecken und berauscht über Deinen Geschmack austauschen.

Ich mag mich nicht besonders. In gewisser Weise war ich mir lange relativ egal. Nicht wertvoll genug. Ich habe in meiner Kindheit und Jugend gelernt, dass ich nicht dazu gehöre, in vieles weder psychisch noch physisch reinpasse. Das erzeugte in mir aber auch die Gewissheit, dass ich keine Partner finden würde, weil ich gehörte ja nicht dazu. Gegen diese innere Wahrheit halfen auch die Erfahrungen in Beziehungen zu sein nur sehr wenig, weil meine Partnermenschen in meiner Vorstellung bestimmt irgendwann morgens aufwachten, mich sahen und sich selbst fragten was sie geritten hatte, sich ausgerechnet für mich zu entscheiden, für meinen Geist, für meinen Körper. Ich traute der Liebe nicht. Mittlerweile fällt es mir leichter zu akzeptieren, dass man sich in meinen Kopf verlieben kann, dass man meinen Geist attraktiv findet. Aber meine Hülle??
Ich finde mich hässlich und nicht begehrenswert.
Vielleicht clever, aber nuja. Eben nicht schön.
“Ne du, hier brauchst du nicht gucken, du müsstest schon magersüchtig werden, damit du hier was findest…” – eine Verkäuferin in einem Klamottengeschäft
“Ach, Kind du hast ein so schönes Gesicht, hättest du nur einige Kilos weniger…” eine mir völlig fremde Person in der U-Bahn
“Findet ihr nicht auch, dass Tara viel zu fett ist?” – mein Vater, an meinem 12. Geburtstag, zu meinen Gästen <3
Und dann war da noch die Mutter meines ersten Freundes, die über der Erkenntnis, dass ich so dick bin, in Tränen ausbrach…

Aber dann sind da meine Freund:innen und Partnerpersonen, vergangene wie aktuelle, die mir beweisen, wieder und wieder, wie sehr meine eigene vermeintliche Wahrheit meinen Blick trübt. Dass sie nicht übertreiben, wenn sie sagen, dass sie nicht die Finger von mir lassen können, wenn sie mich berühren, mich küssen und anknabbern. Dass es kein Versehen ist, dass sie nicht nur neben mir, sondern auch mit mir schlafen wollen. Und dass sie, nur weil ich manche Teile meines Körpers ganz besonders unschön finde, sich davon nicht sonderlich beeindrucken lassen.
Sie waren und sind es, die mir beibringen, dass ich zum Beispiel Kleider tragen kann. Als nicht besonders zierliche Frau fühlte ich mich darin lange eher als feminin verkleidet. Ihr könnt euch vorstellen, wie es mit Strümpfen oder, Gott bewahre, Stringtangas, aussah. Als ich mein erstes Korsett trug, heimlich bestellt, zuhause vorm Spiegel anprobiert, heulte ich Rotz und Wasser. Ich finde es bis heute manchmal befremdlich, mich so zu kleiden, habe manchmal noch immer Schwierigkeiten mich im Spiegel anzugucken, aber ich liebe die Reaktion meiner Partnerpersonen und vertraue auf ihr Urteil. In meiner Logik zeigen sie sich mit mir, sie müssen wissen, wo ihre Schamgrenze an meinem Körper beginnt. Auf meine eigene Wahrnehmung brauche ich da nur bedingt vertrauen. Ich kann nicht ausdrücken, wie dankbar ich diesen Herzmenschen für ihre Liebe bin, für die Selbstsicherheit, die sie mir dadurch geschenkt haben und noch immer schenken <3 Diese Fortschritte sorgen auch dafür, dass ich mich in Kink-Themen mutiger bewegen kann, anders auftreten, mich ausleben kann, und mir neue Ziele stecken, neue Wünsche erlauben mag.

Zum einen sind das Wünsche und Ideen, die mit einem Bereich meines Körpers zu tun haben, den ich nunmal nicht mag, meinem Schambereich. Zu dick, zu un…schön, zu kompliziert, zu schambehaftet. Ich gehe auf die Vierzig zu, und habe das Gefühl, mich im Bezug auf meinen Körper, meinen Orgasmus kaum zu kennen. Ich flüchtete jahrelang, wenn es um diese Themen ging; als Sub war es sehr einfach diesem Thema aus dem Weg zu gehen, ging es damals doch nie um meine Lust. Aber meine ersten devot/masochistischen Spielpartner setzen da Dinge in Bewegung. Aus der vermeintlichen Stone Top wurde ein vor Erregung flirrendes, tropfendes Ich, das durchaus berührt, gefingert, geleckt, gefickt werden möchte, aber am Einfordern scheitert. Ich möchte nicht einen Körper, denn ich selbst als so schwierig, hässlich, eklig wahrnehme, jemandem “aufzwingen” (in meiner Wahrnehmung), das geht nicht. Kommunikation alleine reicht da leider nicht aus, ein “aber ich möchte das doch” von meinen Partnern ist zu wenig. Dafür ist der Weg dahin zu neu, zu unbekannt, ich bin zu ungeübt. Also bitte ich um Hilfe, um ein an die Hand nehmen. Bitte um “zeig mir explizit, dass das hier ok ist, ich hier ok bin”.
Zum anderen sind das devote/masochistische Phantasien, die an dem mir gerade hart erarbeiteten korrigiertem “schöneren” Bild meiner Selbst kratzen würden, Praktiken, die mit Ekel zu tun haben oder mich in meiner Wahrnehmung hässlich wirken lassen. Spiele mit Zwang, Urin und/oder mit Einläufen, zum Beispiel. Besonders intensives Leiden, also Weinen, Rotzen, Sabbern, nach außen sichtbares inneres Auf- und ein Stück weit Zerbrechen. Dinge, die sich für mich hässlich anfühlen, falsch, moralisch fragwürdig.
Ich möchte mehr. Weiter. Tiefer. Dunkler. Intensiver.

Und: ich möchte dazu gezwungen werden, ich bin es leid auf mich zu warten. Wenn ich zurückweiche, gehe hinterher. Wenn ich noch immer ausweiche, binde mich fest. Ich möchte es lernen. Make me, please.

Also… greife ich zu anderen Mitteln. Ich würde es ja einen Workaround nennen, wäre es nicht sogar eine Win-Win-Situation für meine Spielpartner:innen, die sich bei mir auf Metakonsens berufen dürfen. Ich erlaube ihnen ganz bewusst im Grenzgebiet zu spielen, manche meiner Grenzen zu überschreiten, einvernehmlich, wenn auch im jeweiligen Moment vielleicht widerwillig. Lernen durch Schmerz und Scham. Wir haben daran Spaß, wir genießen erst mein Zögern, den Kampf, den ich in mir ausfechte. Unser Wollen gegen meine Angst, meine Überwindung, dann unser gemeinsamer Triumph und schließlich mein Leiden, geht es doch bei unseren Spielen meist genau darum. Ok, vielleicht ist es auch eher Win-Win-Win, wenn ich an diesen Moment auf der Couch im Club letzte Woche denke.
Ich möchte diese völlig unsinnigen Grenzen in mir so lange überschreiten, bis ich mich daran gewöhnt habe, sie nicht mehr wahrnehme, ich den Raum dahinter für mich claimen und erobern konnte. Ich möchte ich sein und mir gehören, nicht meinen Ängsten, nicht meinem Selbsthass, nicht meiner Scham. Und ich danke euch sehr dafür, dass ihr mir dabei helft <3

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