Disclaimer: Ich schreibe für mich. Über mich. Über mein Umfeld. Nichts hier hat den Anspruch für andere gültig zu sein, es hat noch nicht mal den Anspruch, für mich ewig gültig zu sein. Mit manchen Leser:innen und Kommentator:innen gehe ich über meine Texte gerne ins Gespräch, mit anderen vielleicht nicht. Ich suche hier nicht bei euch nach Lösungen, ich glaube nicht, dass der eine Ratschlag aus dem Off meine Probleme lösen kann. Ich schreibe für mich. Über mich. Auch wenn dies halbwegs öffentlich geschieht.
Brauchen – Wollen – Können
Wir wollen zusammen sein. Wir wollen ein gemeinsames Leben führen. Wir sind bereit, dafür Verletzungen in Kauf zu nehmen, solange wir uns dabei nicht verlieren, weder als Individuen, noch als Paar. Wir wollen aber auch andere Menschen, andere Liebe, anderen Sex, anderes Spiel. Momentan verletzen wir uns gegenseitig zu sehr, verstehen manches noch nicht, können die konkreten Punkte noch nicht benennen. Dies hier ist ein Versuch einer Annäherung.
Brauchen vs. Wollen, Codependence vs. Interdependence
Ein Themenkomplex, über den ich in letzter Zeit sehr viel nachgedacht habe. Ich hatte in meiner Vergangenheit eine co-abhängige Beziehung. Ich bewerte diese Zeit weder nur positiv noch nur negativ, es gab Gründe, es ist wie es ist, vielschichtig, kompliziert, vergangen. Was geblieben ist, ist der sehr starke Wunsch nach einem gewissen Maß an Unabhängigkeit, Angst davor, dass entweder meine Partnermenschen mich oder ich selbst die andere Person zu sehr brauche. Auch wenn es durchaus ein wundervolles Gefühl sein kann gebraucht zu werden, schnürt es mir dabei sehr schnell die Kehle zu, es löst in mir einen Druck aus, den ich nicht lange ertrage. Dieses Gefühl steht allerdings ein Stück weit im Konflikt zu meinen Verlustängsten, ich möchte (brauche?) ein verlässliches Zuhause, ich möchte (brauche?) eine eigenständige Partnerperson an meiner Seite, ich möchte (brauche?) eine Basis, um mich insgesamt frei zu entfalten. Wobei mir mehr und mehr bewusst wird, dass es sich dabei mehr um Wollen als um Brauchen handelt, ich möchte mein Leben mit meiner Partnerin an meiner Seite. Aber ich brauche sie nicht, ich kann ohne sie, ohne die gemeinsame Wohnung, ohne unsere Haustiere. Mein Einkommen reicht für mich, ich bin, im Gegensatz zu früher, gesund und stabil genug, mich selber zu versorgen, ich selbst zu sein, ich kann ohne.
“Ich brauche sie nicht.” Ein Satz, der mir noch immer Angst macht. Wir sind darauf getrimmt, uns zu brauchen, interpretieren Brauchen als Liebe, dabei ist das Wollen doch soviel mehr wert. Ich möchte mein Leben nicht mit ihr verbringen, weil ich sie brauche, also weil ich muss, weil ohne geht ja nicht. Ich möchte mein Leben mit ihr verbringen, weil ich meine Zeit, meinen Raum, meine Gefühle mit ihr teilen möchte, freiwillig und gerne.
[Ich möchte Dich. Ich schätze Dich in meinem Leben. Ich möchte auch andere in meinem Leben und möchte nicht ohne sie, aber eben auch: nicht ohne Dich. Ohne uns. Ohne unser Zuhause, unser gemeinsames Leben, das mehr ist als nur Start- und Landepunkt, um die Wochen zwischen den Wochenenden zu überbrücken. Wir sollten das dazwischen nur wieder mit Mehr füllen, das haben wir sowohl in der Liebe zu anderen als auch in den Krisen der letzten Monate ein Stück weit verloren. Ich möchte wollen, nicht brauchen.]
Können, Anerkennen der eigenen Grenzen, Akzeptieren von Kompromissen
Dazu gehört auch ein Aspekt, der wirklich weh tut. Du sagtest: “Ich werde nie haben können, was du hast, das liegt schon an unserer unterschiedlichen Natur.” Ich hatte diese Erkenntnis auch schon, nur aus anderer Perspektive: wir sind nicht gleich.
Ich kann ihr nicht geben, was sie mir gibt.
Ich bin momentan so glücklich mit meiner zweiten Beziehung, ich blühe auf, verändere mich, gehe einen neuen Weg. Und kann das momentan meiner ersten Partnerin nicht geben, nicht genau so. Ihre Situation ist eine andere, ihre Menschen sind andere. Dabei mag ich Gerechtigkeit, ich teile gerne, aber ja, ich lege gleichzeitig Wert darauf, selber ausreichend zu bekommen. Ich mag nicht zurückstecken, möchte nicht verzichten, und hatte in letzter Zeit immer wieder das Gefühl, dass es einfacher wäre, weniger glücklich zu sein, um das auszugleichen. Habe mich geschämt für mein Glück. Ein seltsamer Gedanke. Ich überlegte, wenn ich auf einen Teil meines Glückes verzichten würde, vielleicht würde sie sich damit vielleicht weniger schlecht fühlen. Ich könnte mich ändern, um Fairness in Sachen Glück herzustellen. Aber so funktioniert das nicht, das Leben funktioniert so nicht.
Der erste Teil der bitteren Erkenntnis: Das werde ich nicht schaffen.
Der zweite Teil, noch bitter: Ich möchte das auch garnicht.
Ich möchte nicht die Dinge, die sich bei mir gerade entwickeln, emotional, persönlich, daraus resultierend auch beruflich, manipulieren, um mich vermeintlich besser zu fühlen. Wie würde sie sich dabei fühlen? Wie würde uns das helfen? Stattdessen sollte ich etwas anerkennen, was ich doch selbst auch schon gesehen habe:
Wir sind nicht gleich, wir haben unterschiedliche Charaktere, unterschiedliche Persönlichkeiten, unterschiedliche Herangehensweisen. Und wir werden die auch unterschiedlichen Bedürfnisse der jeweils anderen niemals alle decken können.
[Du möchtest meine Menschen kennenlernen, möchtest mehr wissen, bist bereit, Zeit zu dritt zu verbringen, auch gemeinsam zu spielen, eine intensivere Freundschaft zu pflegen, mir bei meinem Wunsch nach gemeinsamer Harmonie so weit entgegenzukommen, all das fällt mir so viel schwerer. Ich bin das Gegenteil, möchte euch Raum lassen, mich zurückziehen können, möchte einiges auch nicht sehen, nicht wissen, nicht vor Augen haben, kann dir auf diese Art so viel entspannter Deinen Raum lassen, es ist nur dann eben nicht unser Raum, sondern eurer.
Das heißt aber auch: ich liebe unsere Zeit zu dritt, ich kann meine Zeit mit den beiden Menschen verbringen, die ich liebe. Ich möchte das aber in dieser Intensität nicht genau so zurück geben, möchte mich nicht zwingen, habe meine Erfahrungen damit gemacht, ziehe dort eine Grenze.
Es fällt mir tatsächlich schwer, das so klar zu formulieren: ich möchte das nicht. Ich möchte nicht die Wege gehen, die du gehst, ich möchte meine gehen. Ich möchte dich glücklich machen. Aber ich bin ich, nicht du. Wir sind nicht gleich. Ich kann nicht, was du kannst. Egal, wie unfair ich das finde und wie anders ich gerne wäre. Ich arbeite an diesem Punkt, und bin auch schon so viel weiter und entspannter, aber ich muss auch meine eigene Grenzen akzeptieren und klar vermitteln, ohne die falsche Hoffnungen zu erzeugen, dass sich das bestimmt ändert. Ich weiß es nicht. Momentan scheitert es schon am Wollen.]
Ich habe keine einfache Lösung, keinen Knopf, den ich drücken kann, und der alles wieder gut macht. Was ich habe ist der Wunsch, mein Leben mit Dir verbringen zu wollen. Und den Glauben, dass wir das auch Können. Ich denke, wir kommen unseren Problemen, den nicht passenden Stellen in diesem Komplex langsam näher. Das nimmt uns vielleicht langsam einen Teil der Ängste, des Drucks, lässt Raum zu handeln. Ich möchte Dich. Und wenn Du mich möchtest, lass uns unseren Raum so gestalten, dass wir uns nicht verletzen.