Viele Veränderungen beginnen mit Verletzungen. Diese hier nahm ihren Anfang an der Tür einer kinky Dance- and Playparty.
Ich war nicht kinky genug für diese Party. Sah nicht genug nach Fetisch aus.
Wow.
Ich war nicht true genug, in den Worten einer Freundin, long ago, damals in der zehnten Klasse.
Das schmerzte.
Tatsächlich wurde ich noch nie von einer türstehenden Person abgewiesen, das war… neu. Ich kenne Ablehnung, aber war ihr selten so offen und klar formuliert begegnet.
Ich war nicht genug.
Nicht kinky genug. What the fox is kinky in diesem Kontext? Ich trug Baumwolle, ja, kein Netz, kein Leder, kein Latex, nein, ein schlichtes Kleid und eine Tasche mit Spielzeug. Man sieht mir meine Liebe zu Schmerz und Blut nicht direkt an, muss man in meiner Welt aber auch nicht. Im Gegensatz zu diesem Türsteher, eher dem Veranstalter dahinter, ist kinky für mich eine Haltung, ein Mindset, ein Flow, keine bestimmte Optik. Aber gut, natürlich kann jeder Veranstalter selbst bestimmen, wonach er seine Gäste auswählt. Dieser wollte für seine Party nunmal einen gewissen Look, ein gewisses Publikum, und ich hatte in meiner Naivität darüber tatsächlich null nachgedacht. Ich gehe seit Jahren auf BDSM-Partys, aber eben nie auf welche mit besonders hartem Dresscode, daher war ich auch noch nie an einer Tür gescheitert. Aber an dem Abend war diese, für mich absolut untypische Party ein der ganzen wirren emotionalen Konstellation der Gruppe geschuldeter Kompromiss, und ich hatte in dem Gefühlschaos schlicht verpeilt, mir ernsthaft über den Dresscode Gedanken zu machen. Und dann stand ich da, zu normal angezogen, und war nicht kinky genug. Shit. Erinnerungen kamen hoch, an den Moment, an dem ich im Vorfeld einer Swinger-Party durch die Blume gesagt bekam, ich wäre zu fett für die Gästeliste. Diesmal war es wenigstens nicht mein Körper, der nicht passte, sondern nur die Klamotte.
Und irgendwann, ein paar Wochen später, als sich Ärger, Wut und Frust gelegt hatten, poppte dann die Frage in mir auf, die Dinge in Bewegung setzte: warum passte meine Klamotte nicht? Was hielt mich eigentlich von kinky Kleidung ab, von Latex, Netz oder einfach einem kürzeren Rock? Ja, ich bin noch immer fett, aber ich stolperte bei meinem üblichen “ich bin zu dick, ich kann das nicht”-Reflex über meine eigene Selbstsicherheit. Ich kann das wohl! Und wenn ich das mal für einen Moment vergessen sollte, habe ich da Menschen an meiner Seite, die mich instant daran erinnern würden. Ich kann mich ausprobieren, wenn ich möchte, und ich bin endlich an dem Punkt angekommen, dass ich sogar daran glaube, dass ich mich damit wohl fühlen kann.
Versteht mich nicht falsch, ich habe kein Interesse daran, mich zu verändern, zu verkleiden, um auf diese Party zu kommen. Sie wollten mich da nicht, meine Person, mein Geld war nicht fancy genug, insofern: nope, mit dem Veranstalter war ich durch. Ich halte nichts von solchen Dresscodes, von “Sei Du selbst, aber bitte kleide dein umwerfendes, absolut individuelles Ich dresscodekonform nach unseren Wünschen, danke!”. Deren Welt ist nicht meine. Aber ich habe mir die Erkenntnis zu eigen gemacht, dass ich meine Grenzen mittlerweile anders ziehe. Mir selbst erlaube, mehr zu wagen.
Ich habe mittlerweile eine kleine Latex-Abteilung in meinem Schrank. Maske, Handschuhe, Socken. Ich werde mehr Platz freiräumen, für die Dinge die da noch kommen. Und ihr bekommt bestimmt das eine oder andere Foto zu sehen.
Zu sagen, ich wäre dankbar für diesen einen Moment voller Schmerz geht zu weit. Aber ich bin sehr dankbar für die Menschen an meiner Seite, die mich cheerleaden. Danke für die Erfahrungen, die ich dadurch schon machen konnte und noch machen werde, danke für den Mut, mich mit Katzenmaske, Crop Top und kürzeren Rock auszuprobieren, und danke für die Geduld, mich beim nerden über die zwei Regalfächer voller Werkzeug, Talkum, Benzin, Kleber und Latex (lichtgeschützt verpackt, natürlich) zu ertragen ❤️ Danke für die Kraft, die ich durch euch in mir finden kann. Ich liebe euch ❤️