Experiment On Me

Mittwoch morgen, ich stehe unter der Dusche, blicke an mir herab. Ich musste mich dank akuter Halsschmerzen heute krank melden und kann bei all dem, was ich da sehe, durchaus nachvollziehen, dass mein Körper gerade für den Moment ein wenig Erholung einfordert.

I’m pretty like a car crash.

Die Brüste sind vom letzten Freitag noch gelb gebissen, auf dem Oberschenkel ein dunkelvioletter Fleck vom Nadeln setzen am letzten Samstag. Durch die rechte Körperhälfte zieht sich eine Verspannung, die Reaktion auf die sehr intensive Atemreduktionsfesselung mit 4mm Seilen, auch am letzten Samstag, daher kommt auch die kleine Verbrennung an der rechten Brust. Seilreibung, die neuen Seile sind noch sehr strack. Auf der linken Brust ein Kratzer, ich wollte testen, ob eine Kanüle benetzt mit Ananassaft sich schmerzhafter anfühlt, wurde aber leider enttäuscht (bzw. würde da nochmal in eine Testphase gehen, wer weiß.) Unter den großen Farbflecken verteilt über die Brüste die beinahe abgeheilten Kratzer des letzten Picknicks vor 1,5 Wochen. Ich weiß, mein Rücken sieht kratzertechnisch noch ähnlich aus, dazu die letzten Blutergüsse unter der rechten Schulter und einige gelbe Flecken auf dem rechten Oberarm. Gelb ist die bestimmende Farbe momentan. Gelb ist die Farbe, die ich am wenigstens mag. Und dennoch. Ich finde mich gerade sehr schön.

Ich versuche noch immer nachzuvollziehen, was da genau passiert ist. Es begann mit einem Kommentar Deinerseits zu meinem Statusupdate bei Fetlife:

Nach der mich etwas überfordernden Unterhaltung zum Thema Leiden für andere folgten mehr Unterhaltungen, mehr Überforderung, aber auch mehr spannende Gedanken. Und irgendwie. Eine Nähe. Die so zumindest meinerseits nicht erwartet war. Ein fließender Übergang von “Hey, ich suche echt keine Spielpartner_innen momentan, aber du suchst wieder einen Einstieg in die Szene, ich hab genau für sowas einen Stammtisch, komm doch mal rum und lerne Leute kennen” zu einem persönlichen Kennenlernen bei einer Tasse Tee am Sonntag vor dem Picknick, überholt von einer Party am Samstagabend davor mit einem ersten Kennenlernen, Twins Wette, dass wir es an diesem Abend nicht schaffen nicht zu spielen (Nailed it.) zu beinahe erlösenden ersten Berührungen (seufz) am folgenden Tag, einem ersten Flirren vor Erregung (Meow! ) und einem Noch-Nicht-Kuss (Halleluja, war das heiß.)

Right in the feels

Heute sind wir zweieinhalb Wochen später. Mein Körper trägt Deine Spuren, meine Seele liegt sehr weit geöffnet vor Dir und ich bin fleißig dabei, Dir viele der schönen Knöpfe zu zeigen, die es sich für Dich hoffentlich zu drücken lohnt. Ich lerne Deine Aufmerksamkeit und Fürsorge zu genießen, vertraue langsam Deiner Wärme und Herzlichkeit, verliere mich in meinem Alltag wieder und wieder in Flirts mit Dir. Und das nach einer emotionalen Achterbahn sondergleichen in den letzten Tagen. Ich bin mir bei einigen Momenten nicht sicher, ob sie Deinetwegen so intensiv, oder Deinetwegen trotz der Intensität so erträglich waren, aber ich vermute, das bedingt sich gegenseitig. Und ich bin bereit, das Risiko für weitere Achterbahnfahrten einzugehen. Es fühlt sich ein wenig so an, als würde man zu einem sehr distinguierten, flauschig weichen Raubtier in einen gut beleuchteten Raum treten, um sich dort vor diesem Tier zu entkleiden und mit einem dicken, roten Edding die besonders empfindlichen, kostbaren Teile zu markieren, und das nicht nur auf der Haut, sondern auch darunter. Dir die Stellen an mir zu präsentieren, an denen ich besonders viel, aber auch besonders wenig Leid ertragen kann. Dir mein Blut und meine Tränen schmackhaft zu machen. Und darauf gefasst zu sein, dass Du Dir nichts davon von Dir aus nehmen wirst, sondern gespannt darauf wartest, dass ich mich Dir aushändige, Stück für Stück, Tropfen für Tropfen, während Du zärtlich und grausam zugleich über meine Wange streichelst, bevor Du mich endlich, endlich, endlich beißt.

Try my blood, it’s just a starter

Ich liebe dieses Gefühl, diese Spannung zwischen den Extremen, die Herausforderung so viel mehr als die eigene Komfortzone zu verlassen. Ich respektiere meine Angst vor den augenscheinlichen Grenzen, die Furcht vor dem Safeword, den Schmerz des Versuchens, das Hoch des Gewinnens und die Tiefe des doch Scheiterns, freue mich auf die Wärme Deiner Arme, wenn Du mich auffängst und da bist. Auf die Küsse zwischen den Bissen.

Ich möchte Leiden für Dich. Möchte Dich zusehen lassen, wie ich ertrage, Dich fühlen lassen, wie ich kämpfe, Dich wissen lassen, dass ich Deinetwegen und für Dich diese Wege wähle und gehe. Unser D/s hat jetzt schon eine romantischkitschige Unternote, voller Zuneigung und hellem Gefühl, als Kontrast zu dem nach Luft schnappen, dem Wimmern, dem Fiepen, dem Bluten, wenn Du mir Deine dunklere Seite zeigst. Das ist für mich der große emotionale Unterschied zu meiner Zeit als Sub im Zirkel: Damals waren wir sachlicher, serviceorientierter unterwegs. Das hier ist intimer. Persönlicher. Der Fokus liegt anders, individueller. Es geht um uns, um Dich und um mich, nicht um einen Überbau wie einen Zirkel, nicht um Rituale und feste Strukturen. Aus meiner heutigen Perspektive fühlt es sich dadurch so viel wertvoller an ❤️, auch wenn es auch diese Strukturen waren, die mir Sicherheit gaben. Ich werde sehen, ob sie mir fehlen, ich bin ja nun auch schon ein paar Jahre älter, erfahrener und sicherer. Und Du stehst mir auf andere Weise nahe, näher als bisherige Doms/Dommes. (Ich mag es ja doch ein bisschen, dass mein Handy hier aus “Dommes”  “Pommes”  machen wollte.)

Der andere Unterschied ist der Umgang mit der Augenhöhe. Wir testen aus, schaffen ein indivuelles Repertoire. Ich würde manches gerne ausprobieren, was bisher in meinem Giftschrank ruhte und auch für Dich interessant sein könnte, und wir können auf Augenhöhe darüber reden, bis ich es bin, die diese Augenhöhe wieder bewusst und willentlich verlässt, um mich zu Deinen Füßen neben die Couch zu setzen, weil ich mich dort nunmal sehr, sehr wohl fühle.

Ich bin gespannt darauf, mich gänzlich fallenlassen zu können. Freue mich über jeden weiteren Schritt, jedes weitere Date, jeden aufblühenden gelben Fleck. Teste momentan die Sicherheitsleinen, habe mich bereits das eine oder andere Mal verletzt, an anderen, an mir, auch an Dir. Stolpern und Fallen sind Teil des Prozesses und ich mag Erfahrungen und Spuren. Wir lernen uns noch kennen, aber der gemeinsame Weg ist jetzt schon lehrreich und lohnenswert. Danke, dass ich ihn mit Dir gehen darf ❤️

 

Soundtrack: “Experiment on me” von Halsey

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