Wenn du vom Ficken sprichst ist das so schön

Mein Verhältnis von Sex im BDSM hat sich im Laufe meiner Entwicklung sehr geändert. War es zu Beginn für mich vollkommen logisch, dass beides zusammengehört, habe ich im Gegensatz dazu in den letzten Jahren in erster Linie ohne sexuellen Kontext gespielt. Momentan ändert sich hier gerade wieder etwas.

Oder auch: kinky mindfuckery ist geiler Scheiß.

Sex:

(Lehnwort aus der englischen Sprache, von lateinisch sexus „Geschlecht“) bezeichnet die praktische Ausübung von Sexualität als Gesamtheit der Lebensäußerungen, Verhaltensweisen, Empfindungen und Interaktionen von Lebewesen in Bezug auf ihre Geschlechtlichkeit. Alltagssprachlich bezieht sich Sex auf sexuelle Handlungen zwischen zwei oder mehreren Sexualpartnern (auch Intimpartner), insbesondere den Geschlechtsverkehr und vergleichbare Sexualpraktiken, und schließt im weiteren Sinne auch die Masturbation ein (Sex mit sich selber).

Ok, nein, das ist zu allgemein… Moment … ich nehme Sexualpraktik für 500:

Sexualpraktik:

Als Sexualpraktik, sexuelle Praktik, Sextechnik oder Sexstellung werden Handlungen und Körperhaltungen bezeichnet, die der sexuellen Lust einer oder mehrerer Personen dienen und meist ausgerichtet sind auf sexuelle Befriedigung (Orgasmus). Darunter fallen nicht nur offensichtlich sexuelle Handlungen wie Stimulationen der Geschlechtsorgane, sondern alles, was für die Beteiligten sexuell erregend ist. Viele Elemente solcher Handlungen können auch in nichtsexuellen Zusammenhängen vorkommen (etwa ein Kuss).

Jetzt die schwierige Frage, wo verläuft die Grenze im BDSM, wann ist BDSM sexuell? Wenn wir vollständig angezogen mit einer Gruppe von Shibaristen im Shibari-Club fesseln und es dabei zu körperlicher Erregung kommt bei mir, ist das sexuell? Da sagen manche vielleicht ja, manche nein. Meine persönliche Grenze verläuft da, wo ich mit dieser Erregung etwas mache, wo nicht nur Schleimhäute Flüssigkeiten absondern, sondern meine Mitspieler_innen oder ich selbst diese körperliche, aber vor allem meine emotionale Erregung in irgendeiner Form einbeziehen, bearbeiten, formen, steuern.

Warum sich für mich die Verbindung zwischen BDSM und Sex immer wieder wandelte, dürfte meinem Weg geschuldet sein, den ich in dieser Szene gegangen bin. Begonnen habe ich als Sub, ich wollte dienen und zufriedenstellen, und in den einschlägig bekannten Einsteigerwerken gehört Sex zum Standard. Mein damals angepeilter Goldstandard, eine O, muss jederzeit zugänglich sein, emotional wie körperlich, der körperliche Teil ist jedoch der weitaus sichtbarere. Sex (in Form von Körperteil von Person A steckt irgendwo in Person B) war überall präsent, Teil meiner damals noch sehr eingeschränkten Welt und es störte mich nicht, ich hatte durchaus Spaß daran, benutzt zu werden und zufrieden zu stellen. Sex war für mich ein Aspekt vom Ganzen, eine Facette, die es zu erfüllen galt. Dies stillte nicht meine persönlichen sexuellen Bedürfnisse, sondern war ein Mittel zum Zweck.

Meine sexuellen Bedürfnisse waren sehr lange nicht sehr ausgesprägt. Ja, das ist etwas verwirrend, wenn man hier so manche alte Geschichte liest. Dazu muss man eines verstehen: ich trenne da Dinge.

  1. Klassischer Sex: Es gibt das körperliche Bedürfnis, das Jucken, Kribbeln, das “ich gönne mir jetzt drei Orgasmen, bevor ich im Alltag weitermache”.  Dafür habe ich eine Auswahl an Vibratoren im Nachtkästchen. Ich kann auch das mit dem fremde Körperteile in meist meinen Körper stecken, ich mache das auch gerne, nur nicht oft. Meine Vagina möchte manchmal wirklich, wirklich gerne sehr hart gefickt werden, am liebsten von meiner Freundschaft Plus A (weil Ficken mit Gefühl ist intimer, darf tiefer gehen; in jeder Bedeutung), sonst auch mit Unbekannten in Clubs. Dabei muss ich nämlich nicht so viel Denken, muss nicht Grübeln, nicht so viel auf alles achten, weil ich entweder A schon gut kenne, oder die Unbekannten in den Clubs mich genau so für ihr Vergnügen benutzen wie ich sie. Ich kann dieses Bedürfnis stillen, kann den Akku laden und kann davon Monate zehren. Aber wenn ich diese Form des Sex wähle, dann bitte intensiv, mit Schmerz, gerne mit Machtgefälle, gerne in wehrlos, eher benutzt, nicht auf mich konzentriert, nimm dir was du möchtest, komm’ für mich, danke.
  2. Nicht klassischer Sex, aka intensive Intimität. Nicht offensichtlich sexuell, aber oh doch so sehr. Intensives Fesseln mit Andy, Sonntag nachmittag im Shibari-Club, vollständig angezogen, in einer Gruppe von Menschen, und doch sind es nur wir beide in unserem Space. Mit Twin und C, abends im Halbdunkel auf der Couch, zwei Sadisten, vier Hände, zwei Gummibänder, Stille, abgesehen von meinem Seufzen und Stöhnen nach den winzigen, lustvollen Einschlägen. Sessions in der Dunkelheit und der Stille eine abgeklebten Gasmaske. Selbst 2vs1-Sessions auf lebhaften Partys zu vibrierendem Bass, unterbrochen von gemeinsamem Lachen und Spaß können diesen Punkt der Intimität überschreiten, da kann eine sanfte Berührung reichen, und ich schieße vom reinen Spaß am Schmerz in den Subspace.

In der Zeit mit Twin geriet klassischer Sex immer mehr in den Hintergrund. Es gibt kein Machtgefälle in unserer Beziehung, dafür sehr viel Intimität. Das, was man meist unter Sex versteht, hat bei uns einfach nicht die Priorität, wie vielleicht in anderen Beziehungen, wir leben uns da anders aus, nicht weniger nah, nicht weniger intim, aber eben selten über Penetration oder Vibration. Das macht es aber nicht weniger schön oder intensiv, nicht weniger intim oder atemberaubend.

Mit Shiny kam das Thema D/s wieder nach langem Rumgekratze an der Tür aus der dunklem Kammer geschossen und mit dem Machtgefälle die Möglichkeiten. Ich wusste, dass ich das Thema sexueller BDSM angehen wollte, einfach, weil ich in den letzten Jahren auf meine für mich gefühlt nicht besonders entwickelte Sexualität guckte und mir dachte, da muss doch mehr gehen. Mehr Intensität, mehr Lust, mehr Schmerz, mehr Möglichkeiten. Das bisher erlebte, mein eigener manchmal respektloser, aber definitiv sehr oft liebloser Umgang mit meiner Sexualität, frustrierte mich. Ich wollte mehr. Das Machtgefälle ist dabei eine so große Hilfe, hebelt es einfach so viele body issues und Unsicherheiten aus. Ich mag zögern, beim Befehl meine Beine zu spreizen, aber schlussendlich werde ich es tun. Ohne Machtgefälle ist es wesentlich schwieriger gegen meine inneren Widerstände anzukommen. Es mag ein so einfacher Trick sein, aber mir hilft dieses Machtgefälle beim Abschalten, beim Zulassen, beim Fallenlassen. Und sonst: Fesseln. Fesseln regeln. Bitte. Ich will das, ich will mich nicht wehren, aber vor allem will ich das Gefühl haben, mich nicht wehren zu müssen, schon weil ich es tatsächlich nicht kann. Freiheit durch Restriktion.

Und dann ist da noch das Thema Mindfuck.

Ich bin momentan sehr bunt. Immer noch. Schon wieder. Manches entwickelt sich gerade erst noch. Und diese ganzen in erster Linie Bissspuren sind schön, aber im Endeffekt nur die hübsche Oberfläche. Darunter liegt der eigentliche Mindfuck. Shiny tut Dinge mit mir, die ich nicht mag. In die Brüste beißen ist sehr, sehr schmerzhaft, in die Lippe beißen ist der Horror, in die Zunge beißen ist nur noch konzentriertes Atmen auf meiner Seite. Es gibt Schmerzen, die ich wirklich mag (Kratzer+Sterillium=Liebe), aber diese Bisse mag ich nicht. Aber ich frage sogar danach, bitte darum. Das was mir daran so gefällt ist nicht der Schmerz, sondern die Prozesse im Hintergrund. Ich bitte Shiny um Schmerzen, die ich nicht mag. Shiny darf mit Erlaubnis und Handkuss Dinge mit mir machen, die ich nicht mag. Ich vertraue ihr, vertraue darauf, dass sie das beste für mich möchte und nicht zu weit geht. Also lege ich den Kopf zur Seite, streiche meine Haare nach hinten und bitte um den Biss. Das für mich daran geile ist das Wissen, was das mit Shiny macht, die Erregung zu spüren, das tiefe Atmen, die noch stärkere Reaktion auf meine Schmerzreaktion, mein Wimmern, mein Fiepen, mein Wegzucken. Und wenn ich mich nach dem Biss, nach dem liebevollen Kuss auf die etwas andere Art, einen Moment fange, durchatme und liebevoll bei ihr bedanke, und ich den Schauer sehe, den mein “Danke” durch Shiny jagt… well. Dafür, genau dafür ertrage ich das. Für diese Erregungspirale, in der wir Stunden verbringen können, für dieses sehr tiefe “Ich ficke deinen Kopf”, für diesen Grad an Erregung, bei dem man mich schlussendlich nicht mehr beißen, noch nicht mal berühren muss, es reicht die vorhandenen Bissspuren zart anzupusten, damit mein Körper intensivst reagiert, ich mich winde, stöhne, und mein Unterleib die schönsten Signale abfeuert, ohne überhaupt berührt worden zu sein. Auch ein sehr schönes Thema dabei ist in den Mund spucken. Der Austausch von Flüssigkeit durch eine Geste irgendwo zwischen liebevoll und erniedrigend, diese kurzen, aber intensiven Momente kratzen an so vielen Oberflächen, legen so viele Gefühle frei, dabei geht es nur um einen Tropfen, der aus dem einen Mund in den anderen wandert. Es sind “nur” unsere Gehirne, die uns dabei das tiefe Stöhnen entlocken, die uns die Lust durch den Körper schießen lassen. Ich lächle. Schlucke. Bedanke mich. Genieße. Verwandle mich in ein sehr williges Stückchen Sub, tief, tief im Subspace, unfähig zu denken, nur im Hier und Jetzt, auf einem Erregungsniveau kurz vor einer Explosion. Und wir werden vielleicht noch an den Punkt kommen, an dem es noch nicht mal einen vorherigen Biss braucht. Aber mit geht es natürlich auch. Und ich mag ja Spuren.

Soundtrack: “Koprolalie” von  Agonoize (dreht evtl die Lautstärke runter, wenn ihr es nicht kennt. NSFW. Spielen die eigentlich auf Festivals nächstes Jahr… direkt mal nachgucken…)

Disclaimer: Shiny findet im Deutschen als Pronomen sie/ihre okay, benutzt im Englischen they/them.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.