Schubladentheoreme

Ich mag Schubladen. Genau genommen mag ich einfache Lösungen und eindeutige Aussagen und ich glaube, die meisten von uns bevorzugen das. Dass es allerdings so im Leben selten läuft und wir viel eher in 50 shades of grey unterwegs sind als in Vantablack und Alpinaweiß, das wissen die meisten von uns aber auch. Und ich stecke gerade mal wieder mitten in diesem Nebel. Und ich hassliebe es.

Gosh, ich war so gerne Sub. Einfach nur Sub. Klare Regeln, gerne ein festes Konstrukt mit festen Terminen, Vorgaben, Hausaufgaben, einem Strafkatalog, ich fühlte mich da so frei, ich musste über so vieles nicht nachdenken und viel weniger Entscheidungen treffen. Und wenn ich sie treffen musste, war es einfacher, alles für den Herrn. Ja gut, ich habe mich irgendwann gelangweilt und wollte mehr Schmerz, und bin weitergezogen.

Ich mag Schmerz. Meinen Schmerz. Und sehe auch gerne Schmerz. Anderen Schmerz. Das Kämpfen. Das Atmen. Die Blicke. Die Lust. Und traf dann auf jemanden, der in mir das Bedürfnis weckte, diese Dinge in ihm zu wecken. Und auf noch jemanden. Aber je weiter ich da ging, desto mehr stieß ich auf meine Ängste. Ich habe nicht grundsätzlich Angst davor, jemandem Schmerzen zuzufügen, aber ich habe Angst, Fehler zu machen. Und die Ängste waren sehr schnell größer als mein Bedürfnis dagegen vorzugehen. Es rechnete sich nicht, in gewisser Weise. Ja, ich kann mich mit unterschiedlichen Schlagwerkzeugen befassen und die Handhabung lernen, ich war dabei, stellte aber fest: ich mag es nicht. Ich habe da zu wenig Spaß dran. Und im Gegensatz zu meiner Sub-Seite reicht mir der Spaß des Gegenübers in diesem Fall nicht aus. Es war mir zu wenig. Als Maso stehe ich total auf Schmerz durch Seile, aber der Gedanke an eine:n gefesselten Spielpartner:in machte mit mir… nichts. Ich setzte mich selbst unter Druck und hielt dem Druck nicht stand. Ich enttäuschte meine eigenen Erwartungen. 

Ok. Also. Irgendwie. Ich mag es, im Gesicht anderer Leid zu sehen. Ich muss es dafür nicht selber auslösen, ich gucke auch so gerne zu. Also… Voyeur? Und, wenn alle damit einverstanden sind, spiele ich vielleicht mal ein bisschen mit oder drücke nochmal auf blaue Flecken… vielleicht… so eine Art Co-Sadistin? Aber ich mag mich nicht auf eine Femdom-Party stellen und mit irgendwem spielen, das gibt mir nicht genug. Ich finde es schon schwierig, auf Knopfdruck das Bedürfnis zu empfinden, sadistisch zu sein, dafür kenne ich diesen Headspace nicht gut genug. Mein Maso-Anteil dagegen ist einfach nahezu immer wach, um den zu triggern reicht ein Grinsen meiner Spielpartner*innen. Der Kontrast schien mir zu heftig, als dass ich dieser so viel kleineren Seite eine Chance gab. Sie kam gelegentlich hervor, aber alles in allem… ich war Maso. Punkt.

… also ja, maso. In erster Linie. Und. Manchmal fehlte mir dieses für jemanden Leiden. Die Tiefe, die das dem Leiden gibt, die Wärme, das Vergnügen am Dienen. Und ich fand jemanden, für den ich das tun konnte, für den ich das wieder lernen konnte. Und dann noch jemanden und hier wurde es mehr als Spielen, wir verliebten uns. Kamen uns dadurch nochmal näher. Verließen den bei uns eh nicht so ganz klassischen Pfad der D/s-Dynamik und erlaubten uns in unserer Intimität Experimente. Vielleicht lag es auch daran, dass ich sie vor unserem allerersten Spiel bereits leiden sah, unter den Händen meiner Partnerin. Geholfen hat sicher auch, dass ich wusste, dass ich mir, eben weil wir kein starres Machtgefälle haben, manches rausnehmen durfte, wie zum Beispiel über ihren auf der letzten Party erneut von Twin frisch malträtierten Rücken nochmal drüberzukratzen. Und dass ich in unseren intimen Momenten sowieso Kratzen und Beißen, Spuren hinterlassen durfte. Sie hatte mir so viel Spielraum eingeräumt, der Schritt war eigentlich nicht groß. Und so ging ich ihn und tat ihr weh. Körperlich. Aber auch dadurch, sie zu einem für sie schwierigen Verhalten zu nötigen, welches ich sehen wollte, und ihr dafür die Belohnung vorzuenthalten. Ich sagte “Nein”. Ich sah den Bruch in ihrem Blick, wie ein Farbwechsel der Iris, sah diesen Moment der Erkenntnis, und genoss diese Erschütterung. Wow. Wir hatten diese Option nie auf dem Schirm gehabt und daher auch nicht darüber geredet, das hier war aus dem Flow heraus passiert und ich bewegte mich in ihrem Spielfeld, das ich aus Gründen an meinem gespiegelt hatte. Ich fühlte mich sicher genug, so zu Handeln, ich fühlte mich gut, geliebt und vor allem ihr nah genug und konnte meine Angst in diesem Moment so überwinden. Und das war. Wow. Ich bin sprachlos, wenn ich an diesen kleinen Moment denke, diesen Moment vor meinem bösen Lachen, das darauf folgte. Und ich möchte mich jetzt dafür entschuldigen, aber nein. Ich sollte es nicht. Ich war fies in dem Moment. Ich wollte fies sein, ein Zerrbild des braven Mädchens, der guten Sub. Und ich habe es so sehr genossen. Und sie auch.

Ich hätte zu weit gehen können. Wir hätten über diese Seite an mir reden sollen, aber…wie, wenn ich dieser Seite vorher keinerlei Raum gab? Ich habe Dinge in Kisten gestopft und verschlossen, weil sie mir nicht ausreichend schienen. Im Vergleich nicht genug, weder im Vergleich mit meinem Masochismus noch mit dem Sadismus anderer. Also lieber gar nicht. Aber ich befürchte, dass wird man mir in nächster Zeit nicht mehr durchgehen lassen. Ich werde den Angeboten, diese Kisten offen zu lassen, nicht widerstehen können, wenn ich an diesen Blick denke. An den Kampf, das sich Durchringen. Die Hoffnung. Und den Sprung, der sich da plötzlich durchzog, das Splittern, und die überfließende Liebe in all dem Schmerz. Sorry. Ich werde schon wieder kitschig. 

Tja, soviel zum Thema einfache Lösungen und Label. Ich bin Sub. Masochistin. Sadistin. Auch ein bisschen dominant, meinetwegen. Ich werde immer mit dem Wunsch kämpfen, einfach zu sein, nicht so kompliziert, nicht so vielschichtig, schon weil ich mit der Idee groß geworden bin, immer zu viel zu sein. Für mich. Für andere. Aber so funktioniert das eben nicht. Und diese Lektion lerne ich gerne wieder und wieder, gerade wenn sie mir solche berauschenden Momente beschert. 

 

 

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