Ein Beitrag zur Blogparade “Konsens beim Sex” der Bettflüsterin.
Es war einmal ein junges Mädchen. Mit achtzehn Jahren begann sie, die dunklen Seiten des Internets und die für sie strahlende Welt des BDSM zu erkunden. Sklavenzentrale, Online-“Truth or Dare”-Spiele, sie hatte einen gut besuchten Blog innerhalb eines kleinen Erotik-Netzwerkes und stets Emails im Post- oder DM-Fach. Aus vielen dieser Kontakte wurden Gespräche, aber aus einem wurde mehr. Der erste Herr, das erste Spieldate, der erste Schritt in diese Welt. Für dieses erste Spieldate gab es wenig Regeln, sie ging da sehr blauäugig rein. Nur eines war klar, zum Schutz für den Mann, das Mädchen und die anderen Kontakte der beiden: vaginaler und analer Sex geht nur mit Kondom.
Es war ein schönes Date. Dem Mädchen ging es damals über Monate sehr schlecht, schulisch und privat gab es nur Probleme und Katastrophen, da kam dieses Date gerade recht. Sie lernte die Bullwhip kennen und, endlich, das Gefühl, sich nicht nur verbal zu unterwerfen. Er schlief auch mit ihr, fickte sie, mit Kondom. Nur war da kurz zuvor dieser eine Moment, dieses erste Eindringen ohne.
Es geschah schnell. Sie hatte sich auf ihn verlassen und nicht damit gerechnet. Er griff auch schnell danach zum Kondom. Sie kommentierte das, wies auf das Kondom hin, da hatte er es schon in der Hand. Aber die Erinnerung an diesen Moment blieb. Sie sprach es bei ihm niemals an.
Es war nur ein kurzer Moment, die Gedanken vermutlich garnicht wert. Sex hatte er ja dann mit Kondom, also. Das wird schon so passen. Vielleicht gehört das für ihn irgendwie dazu, dieses kurze in Besitz nehmen ohne eine Hülle, eine Schicht zwischen den Körpern. Sie war zu diesem Zeitpunkt neunzehn, er irgendwo Mitte Vierzig. Er würde schon wissen, was er da tat. Er war den weiten Weg aus der Schweiz extra zu ihr gefahren, zu ihr. Wenn dieser Moment des Unwohlseins der Preis für diesen Abend ist, ok. Sie war so stolz auf das alles, dass dieser Mann, ihr Herr, für sie anreiste um Zeit mit ihr zu verbringen. Dafür nimmt man eine Grenzüberschreitung schon mal hin.
Ich wusste es damals wirklich nicht besser. Also hätte man mich gefragt, ich hätte alles besser gewusst, ich war mir sicher. In allem. Ich war neunzehn und für diesen Abend die Königin der Welt. Aber eben nur damals.
Ich war jung, unerfahren, und hatte eine wirklich harte Zeit hinter mir. Ich war dankbar, SO dankbar, ehrfürchtig und klein ihm gegenüber. Er war alles. Ich hatte auch meinen ersten Freund, aber dieser erfahrene Mann, dieser Dom war so viel mehr für diesen Abend. Und ich denke mir heute, wie dumm das war, dieser eine Moment. Wie gefährlich. Wie unwohl ich mich fühlte und wie ich hätte reagieren sollen, ich hätte gehen sollen. Und mich wurmt mehr mein Schweigen, mein nicht danach nochmal auf diesen Punkt zu sprechen kommen, als der tatsächliche Moment.
Ich habe ihn gewähren lassen.
Aber ich war damals in Zirkeln die mich anderes lehrten. Subs mucken nicht auf. Subs leiden und zwar gerne. Sie saugen alles auf, was Herr sagt, sie vertrauen blind und… ja. Die BDSM-Welt reagiert auf übermütige Gerade-Nicht-Mehr-Jugendliche leider selten mit Bedacht und Vorsicht. Ich war auf der Suche nach einer Möglichkeit, meinen Kopf auszuschalten und Verantwortung abzugeben und fand meine Vertrauensperson einen Schritt zu weit in meiner Sphäre.
Es hat etwas gedauert, bis in Ruhe über all das Nachdenken konnte, bis ich verstehen konnte, dass schon diese vermeintliche Kleinigkeit eine Kleinigkeit zu viel war. Dass es diese Kleinigkeit nicht geben sollte, schon gar nicht beim ersten Date, beim ersten Kontakt mit dieser Welt überhaupt. Heute entfalten sich da vor meinem inneren Auge ganze Ansteckungsketten, weiß ich doch, dass ich damals nicht die einzige Partnerin war (und btw, ich hatte danach den Scheidenpilz of Doom. Spaßig. Also für Masochisten. Canesten Gyn Once hat sich leise weinend zurück in seine Tube verkrochen, ey.) Es macht mich unwahrscheinlich wütend, wie egal ihm meine Grenze an dieser Stelle war.
Was bleibt ist daraus lernen. Grenzen müssen respektiert werden. Wenn Konsens in einer Sache vereinbart ist, hat Konsens zu gelten. Egal, wie klein ich mich einem anderen Menschen gegenüber fühle, er hat mich zu achten und zu respektieren, ohne Diskussion und “Ach komm, ist doch keine große Sache!” Auch als Bottom, Sub, Sklave/in hat mensch die Möglichkeit aufzumucken. Tut das, wenn es um Grenzen geht, um Sicherheit, um körperliche und seelische Unversehrtheit, nicht nur, aber besonders um eure. In letzter Instanz seid immer ihr selbst und nicht der dominante Part in der Veranwortung. Schaltet gerne den Kopf aus, aber lasst das Hirn an dieser Stelle noch an =)
Ich finde, gerade als Sub muss man sich absolut darauf verlassen können, dass Vereinbarungen und Limits respektiert werden. Es ist ein Muss, da auch den Mund aufzumachen – für sich selbst und alle, die danach kommen.