Eine Frage der Anwendung

Ich habe den Schmerz früh für mich entdeckt. Schon als Kind habe ich zum Beispiel Fingernägel gekaut bis sie sehr kurz waren, kürzer als sie hätten sein müssen, absichtlich. In Kombination mit einem nassen Taschentuch um die Fingerkuppen potenziert sich die Wirkung. Damals habe ich nicht verstanden, warum ich das tat, ich hatte einfach das Bedürfnis und ging dem nach. Es kamen auch demütigende Elemente dazu, aber ab einem gewissen Alter war die Scham zu groß und die Grenze im Kopf für diese Art von Gedanken zu gut ausgebaut. Tut man nicht. Darf man nicht. Ist nicht gut.

Schmerz hat immer eine Rolle gespielt und es war in Sachen BDSM das erste, worauf ich mich stürzte. Ich mochte Schmerzen. Tue ich auch noch, keine Frage, aber ich habe mich vom SM Richtung DS erweitert. Denn Schmerz ist schön und kann mir durchaus sehr großen Spaß bereiten, aber Schmerz in das D/s-Setting eingebunden ist wesentlich magischer, verführerischer, lustvoller als jeder reine SM-Moment es für mich jemals sein kann. Da öffnet sich einfach eine Türe mehr im Kopf, da ist mehr Raum und Platz für Ideen und Bilder und Phantasien, deren Wirkung wesentlich stärker sind als das, was da früher war.

Das mag so banal erscheinen, aber in meinem ersten Leben in BDSM-Kreisen mit 19 war ich einfach zu jung und zu unerfahren um diesen Meta-Stuff zu überblicken. Diese Dynamiken und Synergien begreife ich erst jetzt richtig und dieses bewusste Begreifen und Formulieren macht einfach Spaß =D

Upside Down

Der Herr hat ein Mimimi.

Ich persönlich reagiere mit “Kann ich helfen? Soll ich vorbeikommen? Wäre es eine Hilfe, wenn ich bereit neben Ihnen knien würde? Nein? Gut, dann melden Sie sich, wenn ich helfen kann, ich bin da.”

Eine BDSM-Beziehung ist für mich nichts geschäftliches, ich bin kein Dienstleister, aber eben auch nicht Kunde. Das hat von meiner Seite aus eher etwas freundschaftliches. Geht es meinem Herrn schlecht, ist es nicht nur die Sub in mir, die sich Sorgen macht. Es ist auch die Freundin, die vielleicht zuhören oder einfach da sein kann und möchte. Das lässt sich mit dem Knien ja auch durchaus verbinden.

Das erwarte ich nicht andersrum, aber ich habe Schwierigkeiten, wenn man mein Verhalten in diesem Punkt nicht irgendwie… wahrnimmt. Wenn man mich eher auf einer geschäftlichen Ebene abhandelt, wird es in diesem Punkt zwangsläufig zu Konflikten kommen. Zu meiner Verteidigung… ich hab da dieses Schild um den Hals, das mit “Ich bin kompliziert!”. Sie wurden gewarnt.

Mir ist vollkommen klar, dass ich in diesem Punkt einen Herrn brauche, der damit kompatibel ist. Aber genau den suche ich mir ja auch aus. Wer es ist nicht, ist es eben nicht. Sich verbiegen hat einfach keinen Sinn, langfristig macht es alle unglücklich.

Der Dom und das Mimimi

Erstmal: ich schreibe hier meine Meinung, die ist auf keinen Fall die eine, gute, reine, richtige Wahrheit. Andere sehen das anders, aber ich sehe es so. Außerdem gehe ich davon aus, dass der hier genannte Herr ein ordentlicher Dom ist, ein fürsorglicher, ein am Weiterkommen der Sub interessierter Mensch, ach, einfach eben wie meiner.


Natürlich, eine Sub hat sich ihr Sub-Sein ausgesucht und wollte das und etc pp, aber auch die beste Sub der Welt ist im Alltag abhängig von anderen und emotional eingebunden. Es passieren Dinge, in der Beziehung, der Familie, egal was oder wo: sobald es bei mir eine gewisse emotionale Grenze überschreitet erfährt mein Herr davon. Ich rede nicht von einem abgebrochenen Fingernagel, ich rede von emotionalen Schiffbrüchen bei mir oder in der Familie oder auch im innersten Freundeskreis. Dann sitze ich aber nicht weinend bei ihm oder melde mich alle 3 Minute mit einer Sprachnachricht über WA, ich sage klar was los ist und das mich diese oder jene Sache gerade einschränkt.

Weil: Wie soll mein Herr mich in diesem Moment oder beim Treffen am nächsten Tag richtig einschätzen und lesen, wenn ich ihm so etwas verschweige?

Das ist für mich aber ganz ehrlich kein Mimimi, das ist das Leben. Mein Leben. Bei allem D/s … ich bin ein Mensch. Das würde ich andersrum auch nicht anders sehen. Wenn er einen Termin absagt, stehe ich auch nicht auf der Matte und fordere den Rohrstock ein. Ich vertraue darauf, dass er einen guten Grund hat. So wie auch ich nur mit einem guten Grund eine Verabredung absage.

Mimimi ist für mich: Der Rohrstock zwickt aber. Muss die Fessel so eng sitzen? Ich habe Angst vor dem nächsten gemeinsamen Termin, er hat da so Andeutungen gemacht. Aber wenn ich meine Spucke nicht schlucke, dann läuft die mir den Körper runter, das ist eklig. Muss ich die Hausaufgaben dokumentieren? Ich seh auf den Fotos total fett aus.

*räuspert sich*

Liebe Sub,

ich gratuliere Dir herzlich zu Deiner BDSM-Beziehung und wünsche Dir viel Spaß. Lass mich Dich kurz über etwas aufklären: Du möchtest das so, nein, du WILLST das so, den Schmerz, die Demütigung, das Ungewisse, den Verlust der Kontrolle. Du hast Dich dafür entschieden! Falls nicht, bist Du hier vermutlich falsch. Aber wenn es Dich erregt, Dich geil macht, zwischen Deinen Beinen Hitze aufsteigt und sich Tropfen bilden, nur weil er nach Deinem Hals greift, Dich gierig küsst und Deinen Geist schon mit einem “Beug Dich vor!” aus dem Konzept bringt… dann lass es zu. Lass zu, dass Du Angst hast, unsicher bist, Dein Hintern einen Tag später bunt leuchtet. Wenn es nicht mehr geht, benutze das Safeword, wenn Du aufgefangen werden musst, lass Dich auffangen. Mache Deine Hausaufgaben, auch wenn Du Dich damit schwer tust, er wird es umso mehr zu würdigen wissen. Er hat mit Dir eine Wahl getroffen, respektiere sie. Stelle sie nicht ständig in frage, er findet Dich ganz offensichtlich nicht zu dick/dünn/alt/jung/dumm.

Vertraue auf ihn, denn genau das ist Deine Aufgabe in diesem Moment und DU hast einst entschieden, ihm zu vertrauen. Er vertraut darauf, dass Du Dich meldest, wenn es sein muss, wenn es wirklich nicht anders geht und nicht, weil Du es kannst oder es mal testen willst.

Denn Jammern zerstört dieses Vertrauen und hinterfragt die Entscheidungen Deines Herrn. Habe Respekt. Habe Vertrauen. Und wenn Du als Sub den Blick äußerlich nicht heben darfst, hebe ihn gedanklich und finde Deine eigene, innere Kraft um Dich zu überwinden.

Fortes fortuna adiuvat und Boldly go!

 

 

 

Ohne Filter

Gestern nacht gab es neben dieser bereits getippten Phantasie noch ein anderes Thema, das mich beschäftigte. Es kursieren all diese wundervollen Bilder, diese Gifs und Videos, perfekt ausgeleuchtet, retuschiert oder auch nicht, aber ästhetisch wunderschön anzusehen.

Und dann gibt es die Realität, es gibt mich. Mir fiel es anfangs schwer, manches zu retweeten, weil ein RT für mich auch durchaus einen Wunsch ausdrückt. “Das hätte ich jetzt gerne, das wäre jetzt gerade schön.” Da sind aber Sachen bei, die ich gar nicht kann, sei es nun auf dem Boden zu knien oder mich irgendwie zu verbiegen. Ich bin nunmal begrenzt durch meinen eigenen Körper, habe nur meine eigenen Möglichkeiten. Und das hatte ich immer im Hinterkopf.

Ich war in diesem Punkt immer sehr zurückgezogen. Es gab durchaus erotische Bilder von mir, aber immer nur von einzelnen Stellen meines Körpers. Meine Partner mussten anfangs immer etwas kämpfen, um mir klarzumachen, dass sie mich wirklich wollten, nackt. Ich erinnere mich noch an die erste Nacht mit Batman, an meine Tränen und diese Hürde, über die ich da musste. Die war gigantisch.

Heute ist es einfacher. Das mag komisch klingen, aber ich weiß noch, als ich nach dem ersten Gespräch mit meinem jetzigen Herrn nach Hause ging, stellte ich für mich trotzig fest: Er hat mich gesehen, er weiß, worauf er sich einlässt. Und auch wenn ich manchmal meine schwachen Momente habe, ist es genau das, was mir hilft: er hat mich ausgewählt. Sollte er sich jemals für mich schämen müssen und mich hässlich finden, dann aufgrund meines Verhaltens, welches dann offensichtlich nicht angemessen war. Aber nicht aufgrund meiner Kleidergröße, meiner Dehnungsstreifen, meiner Schwimmringe.

Und deswegen ist die Geschichte der letzten Nacht etwas sehr besonderes für mich, denn das bin ich. In meiner Phantasie, in meinen Bildern war das nicht irgendwer, das war ich. Und so habe ich es auch geschrieben. Das mag für andere eine Kleinigkeit sein, für mich war das Wort “Schneidersitz” eine weitere Hürde. Ich habe sie genommen.

Wir sind, wer wir sind. Wir können uns verändern, wenn wir das wollen, oder so bleiben, innen wie außen. Das sind wir. Und wir sind gut =*

Der Kreis wird sich schließen

Natürlich habe ich Angst. Alles andere wäre für mich höchst untypisch. Angst davor, zu kurz zu kommen, nicht gut genug zu sein, hässlicher zu sein.

Teilen ist keine meiner Spezialitäten. Meine Rolle in der offenen Ehe habe ich nur bedingt freiwillig eingenommen, wirklich kennengelernt habe ich diesen Aspekt erst gezwungenermaßen. Aber mitterweile funktioniert es auf dieser Ebene gut.

In dieser D/s-Konstellation wusste ich, worauf ich mich einlasse, aber es ist dennoch eine Herausforderung. Die Tatsache, dass ich als Sub mit Hoffnungen gen O eigentlich eh keinerlei Ansprüche habe, macht das nicht viel einfacher. Ich kann ja noch nicht mal mehr Raum fordern, wenn ich ihn benötige. Ich kann nur Vertrauen.

Und das ist das Stichwort. Ich vertraue ihm. Ich vertraue darauf, dass er das managen kann, dass keine von uns leer ausgeht, alle genug bekommen, sich gleichwertig und gut fühlen. Das stelle ich mir sehr schwierig vor, aber ich habe auch noch nicht viele Menschen kennengelernt, die ein solches Gespür für andere haben. Ich traue es ihm zu und versuche meinen Teil dazu beizutragen, dass dieser Zirkel wirklich rund läuft.

Und meine erste Aufgabe dabei ist für mich, offen an diese Idee heranzutreten und ihm zu vertrauen.

Vertrauen. Blind und ohne zögern, mein Herr.