Sorry.

Der Schlüssel zu allem im BDSM und in Beziehungen: Kommunikation. Ich scheitere aber schon gerne zwei Schritte vorher, beim Fühlen.

Ein Rant.

Ich fühle viel. Sehr viel. So hat mein Therapeut es mir damals erklärt. Mein Emotionsspektrum ist bunter, die Farben satter, und so brauche ich mich nicht wundern, dass in mir immer ziemlich viel los ist, dass daraus auch viele Ängste und Sorgen resultieren.

Tatsächlich bin ich mit dem Eindruck aufgewachsen, dass ich zu viel fühle. Ich habe immer übertrieben, mich angestellt, sieh doch einfach drüber weg und bei psychosomatischen Problemen, unter denen ich über Jahre litt, wurde mir erklärt, das wäre alles nicht echt. Ich habe also gelernt, dass viele meiner Gefühle falsch sind, unangebracht oder auch einfach nicht echt.

Ich bin heute an vielen Ecken klüger, aber leider sind alte Muster schwer abzulegen. Und so ist eine meiner Reaktionen auf meine Gefühle gerne das Hinterfragen. Fühle ich wirklich so? Warum könnte ich so fühlen? Bis dahin ist ja alles gut. Eine Analyse der Gefühle ist immer ein guter erster Schritt. Nur besteht die Gefahr, dass ich nach dem ersten Schritt falsch abbiege. Kann ich mein Gefühl logisch erklären ist das ein Zeichen dafür, dass es echt ist. Weil andere können das ja dann nachvollziehen, das Gefühl hat also seine Berechtigung. Und wenn nicht, dann ist das ein Zeichen dafür, dass mein Kopf gerade wieder Mist baut, dann sollte ich das lieber für mich behalten, bevor irgendjemand mich für eine übertriebene Spinnerin hält.

Und ab da beginnt die Achterbahn. Ich behalte eine Angst für mich, ich deale alleine damit, ich schraube mich da rein. Tiefer. Und tiefer. Die Angst wird größer, das darüber reden immer schwieriger, die Farben dunkler und mein Licht kleiner. Was-Wäre-Wenns wachsen, und die sind eigentlich nie auf meiner Seite, immer gegen mich. Und ich sitze da, fühle all dieses Chaos, weiß gleichzeitig, dass all dieses Chaos totaler Unsinn ist, schäme mich für diese Gefühle und werde immer leiser. Bis ich nicht mehr kann. Bis irgendwas in mir zerbricht, oder die eine zentrale Angst, meine Partnerin eben durch genau dieses Verhalten zu verlieren zu groß wird und mir kein Ausweg bleibt, ich reden muss. Reden muss, bevor die Last unerträglich wird oder die Bilder zu verrückt, um sie einem gesunden Menschen zu erklären.

Ich bin dankbar dafür, dass ich reden muss und es auch noch kann in diesen Momenten. Die Alternative wäre vermutlich das Abdriften in eine Nicht-Realität. Ich habe die schizophrenen Phasen eines Familienmitglieds erlebt. Das Wissen, um diese erbliche Vorbelastung erhöht den Leidensdruck nochmal ganz gewaltig zu Reden, und auch langfristig einen Umgang zu finden mit diesen Gefühlschaos.

Meine Partnerin weiß natürlich davon, ich konnte ihr diese emotionalen Abläufe in mir erklären, und ich bin dankbar dafür, dass ich ihr davon berichten kann. Dass sie meinen Ängsten stand hält und mir glaubhaft vermittelt, dass sie mich nicht weniger liebt, nur weil ein Teil von mir permanent damit rechnet, dass sie mich für einen anderen verlässt. Oder irgendwann morgens aufwacht und erkennt, wie freaky ich bin und einfach geht.

Die Lösung ist zu fühlen. Den Gefühlen Raum zu geben, weil sie sind sowieso da. Sie werden nicht kleiner, nicht durchsichtiger, sie verschwinden nicht. Sie ziehen sich vielleicht zurück, holen dich dann aber mit umso mehr Wucht ein. Also. Fühl sie. Halte ihnen aber die Realität ins Gesicht. Ja, du hast Angst, dass sie sich in jemand anderen verliebt und dich verlässt, aber sie ist gerade mit dir in eine gemeinsame Wohnung gezogen, ihr haben Katzen adoptiert. Sie schläft jede Nacht neben dir. Sie liebt dich. Sie liebt Dich. Sie liebt DICH. Und selbst wenn sie sich auch noch in jemand anderes verlieben sollte, Liebe wird nicht aufgeteilt, Liebe wird größer. Und sie liebt DICH.

Mir hilft da tatsächlich die dritte Person und realistische Was-Wäre-Wenns, die eher auf meiner Seite sind =)

Nur das drüber reden mit anderen ist noch schwierig. Weil. Ja. Ich wäre gerne einfacher? Gesünder? Wenn man sich den Text da oben durchliest ist das für mein Gefühl sehr viel Ballast, den keiner braucht. Da ich das Gefühl habe, meine Gefühle erklären zu müssen, lande ich früher oder später aber bei diesem Ballast. Hallo, ich brauche nach dem Spiel die Gewissheit, dass du dich dabei wohlgefühlt hast, dass du Spaß hattest, dass ich dich nicht enttäuscht habe, weil ich ein, zwei Tage später genau diese Gefühle entwickeln werde. Also hattest du Spaß? Lächelst du, wenn du daran zurückdenkst? Möchtest du das nochmal machen? Aber statt das klar zu formulieren, weil mir schon diese Fragen total unangebracht und weird vorkommen, frage ich nicht, sondern suche unverfänglich Kontakt und nutze die Untertöne gegen meine Ängste. Manchmal reicht das. Manchmal nicht. Ja, gut. Meistens nicht.

Ich überlege auch, tatsächlich einfach einen Beipackzettel zu schreiben, was ich brauche. Was mir gut tut an Aftercare. Und kämpfe damit, dass das auch schon wieder kompliziert ist und irgendwie egoistisch wirkt und meine Fresse nochmal. Ich verstehe schon, warum manche das Leben als Eremiten vorziehen, ich kenne diesen Fluchtinstinkt sehr gut. Sozialer Umgang ist aber leider geil. Und die Menschen um mich herum sind leider sehr, sehr toll. Und daher muss ich da durch. Danke, dass ihr mitgeht <3

 

Nachtrag für mich:

Ein Gedanke zu „Sorry.“

  1. Das Interessante ist, dass die Frau, durch die ich quasi erst richtig mit BDSM in Berührung kam, dir anscheinend sehr ähnlich ist.
    Sie hat auch psychische Probleme, sie brauch diese Unterwerfung, die Abgabe der Kontrolle und das anschließende Auffangen um den Kopf abzuschalten.
    All das, was sie seit ihrer Kindheit und während ihrer Ehe nicht konnte und durfte.

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